Bewegung - Ausdruck - Kommunikation
Manchmal fällt mir das Sprechen in Worten schwer. Ich fühle mich kommunikationsunfähig und 'komme nicht aus mir heraus'.
Dann fange ich an, mich zu bewegen und gehe in meinen Körper. Ich verbinde mich mit mir selbst. In meinem Körper bin ich Zuhause und wenn ich mich auf die Bewegung einlasse, dann kann ich den Körper sprechen lassen und wieder kommunizieren. Ich kann sanft sein, kraftvoll, geschmeidig, aggressiv, anmutig, hässlich, stolz, schwebend, torkelnd, fragend, verschwommen, bestimmt...
Ab und zu ist es gut, aus der Welt der Begrifflichkeiten austreten zu können. Alles, was sich in konkrete Worte fassen lässt, hat oder bekommt eine Grenze. Wenn ich in Bewegung bin, gibt es fließende Übergänge und das, was ich dabei empfinde und das, was bei anderen ankommt, kann jenseits der Sprache existieren. Anrühren, inspirieren, kritisieren, reflektieren,..
Wenn ich mich eine Zeit lang nicht bewusst bewegt habe, merke ich, dass ich mich weniger existent fühle, weniger lebendig. Ich werde steif und ungelenk.
Durch Bewegung wächst das Bewusstsein für meinen eigenen Körper, für dessen Grenzen, dessen Reichweite und Möglichkeiten. Ich kann mich besser kontrollieren und artikulieren; ich kann Punkte setzen und Ausrufezeichen. Ich kann mich durch Menschenmengen bewegen, ohne irgendwo anzustoßen und ich kann mich in Momenten von Chaos und Unruhe auf meinen Atem und auf meinen Herzschlag konzentrieren, den Kontakt meiner Füße am Boden und somit meine Verbindung mit der Erde spüren.
Jede Emotion, die ich in meinem Körper zulasse und in Bewegung erforsche, ist für mich auch eine Brücke zu anderen Menschen. Was ich selbst bereits am eigenen Körper erfahren konnte, kann ich vielleicht auch bei anderen erkennen. Während wir in unserer Gesellschaft (in meinem Falle in der Großstadt Berlin) lernen, mit einer Maske durch die Straßen zu laufen und zu dem richtigen Zeitpunkt, in einem bestimmten Kontext, die 'richtigen' Worte zu nutzen, und uns nicht selten in Missverständnissen oder angespannten, stockenden Gesprächssituationen wiederfinden, und während wir, wenn wir die verbale Sprache als vorrangiges Kommunikationsmittel nutzen, im alltäglichen Trudel hunderten von Menschen zwar räumlich, nicht aber auf persönlicher, emotionaler Ebene begegnen, weil wir uns nicht neben Fremde setzen, sie grüßen und ihnen sagen, was uns gerade beschäftigt - ob wir fröhlich sind, ob wir von einer Frage gematert werden, ob wir uns verloren haben, ob wir etwas beobachtet haben, das wir gerne teilen würden, ob wir uns einsam fühlen und uns über die Anwesenheit anderer Lebewesen um uns herum freuen - während wir also lernen, die verbale Sprache gezielt und lösungsorientiert einzusetzen und in vielen Situationen der Einfachheit halber stumm bleiben, ist es der Körper, der immer noch ist und der nach wie vor agiert und reagiert. Ein Lächeln, ein inneres Aufrichten, eine anteilnehmende oder hilfsbereite Geste, ein Gruß, ein entsetzter Blick, ein bestärkendes Nicken. All das zählt für mich in den Bereich der Bewegung. All das ist Kommunikation, die mir fehlt, wenn ich für lange Zeit nicht unter Menschen bin. Ich kann mit Menschen über die Medien kommunizieren, aber manchmal hat mein Körper mehr oder ganz anderes zu sagen, als ich in Worte fassen kann.
Ein unbestimmtes Sein, das dem Moment entspringt und nicht erklärbar ist.
Aber auch alleine kann ich mich doch jeden Tag aufs Neue durch Bewegung, ein Reinhorchen in mich selbst und ein Reagieren auf die aktuellen Befindlichkeiten, mit mir verbinden. Dann entsteht ein Austausch und ein fließender Umgang mit Zeit und Kraft und Form. Ich kann unterschiedliche Spannungszustände erleben und auch gezielt ansteuern, ich kann mein körperliches und somit auch geistiges Sein rhythmisieren, damit meine Tage einen abwechslungsreichen, lebendigen Verlauf haben.
Wenn der Körper beweglich ist, ist auch das Denken beweglich